„Burschen und Bomben”

Corporationsstudentischer Gehalt der Bekennerschreiben der Bajuwarischen Befreiungsarmee

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„Das, worauf die Bajuwarische Befreiungsarmee größten Wert legt,
ist die exakte und saubere Verwendung der Sprache.”
[270]


1 Allgemeines


Die verstärkten Aktivitäten verschiedener Corporationen mit meist freiheitlich–national oder auch radikaler gesinnten Mitgliedern im Gefolge der Wahlerfolge der FPÖ in den letzten Jahren sowie das Engagement vieler schlagend Corporierter in dieser Partei wurden bereits erwähnt.[271] Im Hinblick auf die Ausländerthematik scheint überdies die Haltung vieler Corporierter aus diesem Bereich weit weniger differenziert zu sein als die der FPÖ,[272] deren Plakataktionen und Volksbefragungen bereits ein gewisses Maß an Ablehnung erkennen lassen.[273]

Die Formulierungen der bisher veröffentlichten Bekennerschreiben der BBA wiederum sind eindeutig fremdenfeindlich und rassisch diskriminierend.[274]

Aufgrund vermuteter Berührungspunkte erscheint es daher angebracht, diese Schreiben auf typisch studentische Inhalte und Terminologie hin zu untersuchen.


Aus: Lang, Intonas, S. 55 2 Studentische Sprache


Im Laufe der Jahrhunderte hat sich — wie dies etwa bei den handwerklichen Zünften auch geschehen ist — zur corporationsstudentischen Tradition auch ein eigener Sprachgebrauch entwickelt und erhalten.[275] Seine termini technici[276] sind bei weitem nicht auf das Corporationsleben beschränkt, sondern beziehen sich auch auf das Alltagsleben des Corporierten.[277] Ihre Entwicklung wird als stetig, d.h. nicht abgeschlossen betrachtet.[278]


3 Der „Krambambulicocktail”


Ein Vergleich der veröffentlichten Bekennerschreiben der BBA mit schriftlich und mündlich tradiertem studentischem Wortschatz[279] ergibt jedoch nur einen einzigen Hinweis auf diesen, nämlich das Wort „Krambambulicocktail”.[280]


3.1 „Krambambuli”


3.1.1 Das Wort und der Schnaps


Über die polnisch–deutsche Herkunft des Wortes geben verschiedene Lexika Auskunft.[281] Es bezeichnet ursprünglich einen Branntwein, auf den nicht nur in klassischer Literatur Bezug genommen wird,[282] der vielmehr — neben dem corporationsstudentischen Bereich — auch Eingang in Volkssprache und –brauchtum Eingang gefunden hat.[283] Als Original–Erzeuger des „Danzigers” werden „Isaak Wed–Lings Wittib und Eydam Dirk Hekker in Danzig” genannt.[284]

Aus: Lang, Intonas, S. 57 Aus: Lang, Intonas, S. 57


3.1.2 Krambambuli als studentisches Ereignis


Aus: Lang, Intonas, S. 55 Der „Echte Danziger” ist den Studenten wohl zu teuer gewesen; jedenfalls ist es in vielen Corporationen Sitte, in der Zeit von Ende November bis Anfang Feber einen Krambambuli selbst zu brauen, allerdings mit einer drastisch anderen Zusammensetzung als das Original: „Krambambuli, 1. ein warmer, mit Zuker gekochter Branntwein; 2. der Schnappsglühwein; 3. ein Gesöff von Schnabri, welcher angezündet und mit Zuker vermischt wird; 4. der akademische Brustthee [...].”[285] Auf der „Krambambuli–Kneipe”[286] wird zur feierlichen Brau–Zeremonie das passende, dem Vorgang angepaßte und daher schier endlos scheinende Lied gesungen,[287] dessen Text auch französische und lateinische Zeilen aufweist. „Wer übrigens meint, Krambambuli sei eine Domäne des deutschsprachigen Studententums, der irrt. Auch unsere nächsten östlichen Nachbarn haben sich die Köstlichkeit längst angeeignet.”[288]


3.2 Der „Cocktail”


Cocktail [engl. (Lautschrift); eigtl. „Hahnenschwanz”], alkohol. Mixgetränk (auf der Basis von Gin oder Whisky, auch Rum, Weinbrand oder Wodka.”[289]

Das Wort kommt in keinem Studentenwörterbuch vor.[290] Cocktailabende gehören nicht zu den althergebrachten studentischen Traditonen, erfreuen sich aber auch in diesen Kreisen immer größerer Beliebtheit.[291] In Zusammenhang mit Krambambuli wird Cocktail hier jedoch nie verwendet.


4 Conclusio


Der erste Teil des Wortes „Krambambulicocktail” ist der einzige auswertbare sprachliche Hinweis aus den Bekennerschreiben der BBA auf die Beteiligung eines Corporationsstudenten am Briefbombenterror. Er entstammt einem Lied, das einem Branntwein polnisch–deutschen Ursprungs gewidmet ist[292] und das zumindest vor dem Zweiten Weltkrieg als Volksweise in weiten Teilen der deutschsprachigen Bevölkerung bekannt war. In seinen traditionellen Strophen kommen lateinische und französische Texte vor, in seiner Gesamtheit handelt es sich um ein ausgelassen–fröhliches Lied. Corporationsstudenten können sich — so sie sich das entsprechende Wissen nicht bereits während ihrer Fuchsenzeit angeeignet haben — jederzeit leicht mit Hilfe der reichhaltigen, einschlägigen Literatur über den Hintergrund dieses Wortes informieren.

Es ist daher nicht wahrscheinlich, daß ein deutschnationaler, fremdenfeindlicher, noch weniger ein nationalsozialistisch gesinnter Corporierter, der auf Ethymologie und Geschichte besonderen Wert legt,[293] dieses Wort — ausgerechnet in studentisch völlig unüblicher Kombination mit einem englischen! — in einem Bekennerschreiben zum Briefbombenterror verwendet.[294]

Für einen direkten corporationsstudentischen Zusammenhang ergeben sich daher aus der Wortwahl der Bekennerschreiben, insbesondere aus der Verwendung des Wortes „Krambambulicocktail”, keine zwingenden Anhaltspunkte.[295] Ebensowenig kann allerdings die Beteiligung eines Corporierten aus diesen Erwägungen heraus mit Sicherheit ausgeschlossen werden.[296]



[270] Vgl. Kriminalpsychologe Thomas Müller in ORF Report Spezial, 21.46 Uhr.

[271] Vgl. oben B.2.3.

[272] Vgl. dazu nur beispielsweise Grassl–Kosa/Steiner, S. 140, sowie BBA 3, S. 154: „Falls dem von den Juden mit Orden überhäuften Ausländertribun Zilk das Leben zu mühsam wird, schicken wir ihm gerne wieder 7 Gramm Nitroglyzerin. [...] Es steht ihm auch gut an, daß er eine Hand verloren hat, denn mit dieser Hand hat er in unsere Sparbücher gegriffen, um Eindringlinge mit Wohnungen zu versorgen und durchzufüttern sowie die Kinder der Wiener Tschuschen in den öffentlichen Dienst zu stopfen.”

[273] Vgl. dazu insb. die Aussagen der interviewten schlagend Corporierten aus Leoben in ORF X–Large.

[274] Vgl. dazu die Texte der Plakataktionen der Wiener FPÖ 1996.

[275] Zur Entwicklung der Studentensprache vgl. auch Kluge in Henne u.a. Bd. 5, S. 93–177, sowie zum studentischen Wortschatz insb. ebenda, S. 177–236. Zum Einfluß verschiedener Sprachen auf die Sprache der (corporierten) Studenten vgl. Herbert Burschensprache, S. 10–26.

[276] Etwa die Chargenbezeichnungen bzw. zeremonielle Begriffe, beispielsweise „Kneipe schlagen” oder „Salamander reiben”.

[277] Vgl. etwa „Suchardt”, S. 162: „hebräisch lernen. Da namentlich die Juden Geld auf Pfaender ausleihen, so sagt man verbluemt statt: ich habe meinen Rock versetzt, mein Rock lernt hebraeisch. — Steht er sehr lange, so sagt man auch wohl: mein Rock lernt die Anfangsgruende der syrischen Sprache.” Zum Einfluß des Hebräischen und Jiddischen auf die Studentensprache vgl. Herbert Burschensprache, S. 20–23.

[278] Auch die bisher erschienenen „Studentischen Wörterbücher” haben hier keinen konservierenden, sondern v.a. dokumentarischen Wert. Hinzu kommen zahlreiche regionale Nuancen in Wortschatz und Sprachentwicklung sowie jene Unterschiede, die sich aus der Charakterisierung der jeweiligen Corporation ergeben; vgl. dazu oben A.2.9. — Dasselbe gilt für den Comment; die Redensart vom „Lebenden Comment” ist oft zu hören.

[279] Die Kompetenz des Verfassers für diesen Vergleich beruht auf seiner z.Z. [1997; Anm.] vierzehnjährigen couleurstudentischen Erfahrung sowie auf intensiver einschlägiger Lektüre. Vgl. dazu etwa die nachfolgend zitierten Werke sowie das Quellenverzeichnis, insb. Kämper–Jensen in Henne u.a., S. 80–287.

[280] „Krambambulicocktail” kommt ausschließlich im Brief an Mag. Michael Sika vor; vgl. BBA 1, S 1 l.Sp. und S. 2 r.Sp.

[281] Vgl. Grimm's, Bd. 11 (K–Kyrie), S. 1994 r.Sp. m.w.N.: „Krambambuli, m. Danziger wacholder– oder kirschbrantwein, dort in einem hause 'zum lachs' bereitet, daher 'veritabler Danziger, echt doppelter lachs' Lessings Minna v. B. 1, 2 (auch goldwasser): krambambuli, so heisst der titel, womit sich ein starost beehrt. du bist das süsze labungsmittel, das Danzigs officin gewährt. halb klingst du deutsch, halb popolsky, recht majestätisch krambambuli u.s.w. beginnt ein bekanntes lied, welches ihn langatmig preist und aus einem noch längeren hervorgieng, das 1747 zu Danzig gedruckt ist: Koromandels nebenstündiger zeitvertreib in teutschen gedichten s. 413–436, [...] Koohl Südruszland 1, 245. jetzt führt den namen ein getränk aus heiszem brantwein mit zucker, 'schnapsglühwein' (Vollmann bursch. wb.). [...]” Vgl. Meyers Konversations=Lexikon 1877, Bd. 10, S. 313.: „Krambambuli (poln.), ursprünglich Danziger Aquavit von guter und starker Qualität; burschikos s.v.w. geistiges Getränk überhaupt.” Vgl. Brockhaus 1974, Bd. 3, S. 242 r.Sp.: „Kramb'ambuli [Studentenwort, zu Kranewitt 'Wacholder'] der, -(s)/-(s), urspr. Danziger Wacholderbranntwein; heute u. a . ein mit Heidelbeersaft gefärbter Kräuterlikör.” Vgl. insb. Lang Intonas, S. 111–121 m.w.N.

[282] Vgl. dazu Lessing Minna, Bd. 2, S. 116 f.: Erster Aufzug, zweiter Auftritt; vgl. Kleist Krug, Bd. 2, S. 136: Fünfter Auftritt.

[283] So ist zum Beispiel in Oberösterreich und in der Steiermark das „Krampamperln” oder „Krampamperl brennen” bekannt, wie der Verfasser im Gespräch mit Ausseer und Ebenseer Kommilitonen erfahren konnte. Eine Zeile der 13. Strophe — vgl. Österreichisches Kommersbuch, S. 229: „[..] sauft Wasser wie das liebe Vieh und meint, es sei Krambambuli” — ist in weiten Teilen Schlesiens vor dem Zweiten Weltkrieg auch bei der nicht akademisch gebildeten Bevölkerung ein geflügeltes Wort gewesen.

[284] Vgl. Lang Intonas, S. 116, sowie derselbe in couleur 1/1991, S. 17–20.

[285] Vgl. Grässli Wörterbuch, S. 273. Es gibt zahlreiche, meist bessere, v.a. bekömmlichere Rezepturen, nach denen Krambambuli gebraut werden kann; vgl. dazu etwa Grill u.a. Comment, S. 334–336. Die drei Grundsubstanzen des studentischen Krambambuli allerdings sind i.d.R. überall gleich: Wein, Schnaps (Rum), Zucker. Die Zubereitung ähnelt der einer Feuerzangenbowle. Heute wird das Wort in den Corporationen mitunter für jeden Alkohol verwendet, der geeignet ist, Schmerzen jeglicher Art zu vertreiben; vgl. Golücke Studentensprache S. 181: „Krambambuli: Lautmalerisches Wort zu: Kranewit »Wacholder«, das zuerst 1745 in dem Loblied auf geistige Getränke »Der Krambambulist« von Cresc. Koromandel (Christ. Friedr. Wedekind) auftaucht. In der Stud.–Sprache wird K. auf jeden Alkohol ausgedehnt.”

[286] Vgl. dazu Grill Comment, S. 81 und 95.

[287] Vgl. dazu Österreichisches Kommersbuch, S. 228–230: „Krambambuli, das ist der Titel. Volksweise, vor der Mitte des 18. Jh. Worte (gekürzt): Nach Christoph Friedrich Wittekind (1709–1777)”. Vgl. auch Lahrer Bibel 1914, S. 434–436.

[288] Vgl. Lang in couleur 1/1991, S. 20 m.w.N. Auch in der Schweiz ist der Krambambuli bekannt; vgl. Universität Basel in Henne u.a. Bd. 5, S. 325: „Krambambuli. stud. Getränk [...]; bei den Zofingern [Berühmte Schweizer Studentenverbindung, Anm.] nur in der Neujahrsnacht gebraut.” Schließlich existieren auch Strophen in flämischer Sprache; vgl. Lang Intonas, S. 117.

[289] Vgl. Meyers Taschenlexikon 1990, S. 341 l.Sp.

[290] Die studentische Sprache ist zwar, wie bereits erwähnt, von vielen Sprachen beeinflußt worden, jedoch kaum von der englischen, der es in diesem Bereich — in Mitteleuropa! — an Tradition fehlt.

[291] Vgl. etwa Schmut/Gosch Jazz–Cocktail, S. 66.

[292] Wie aus dem Namen der Originalerzeuger des „Danzigers” („Isaak Wed–Lings Wittib und Eydam Dirk Hekker in Danzig”; vgl. Lang Intonas, S. 116) hervorgeht, waren sie offenbar nichtarischer Abstammung i.S.d. Rassengesetze von Nürnberg.

[293] Vgl. dazu u.a. BBA 2, S. 173–199, insb. S. 195–199: „Historisches”.

[294] Es gäbe hier auch wesentlich „bessere” Zitate, etwa aus dem „Bomben–Comment” das Lied „Lasset die feurigen Bomben erschallen”; vgl. Österreichisches Kommersbuch, S. 372; vgl. Lahrer Bibel 1914, S. 436. Ein direkter Bezug zu „echten” Bomben ist zwar auch hier nicht gegeben (Trinkspiel!), zumindest paßt aber der Text der Titelzeile zum Geschehen. Allerdings wäre dieses Zitat bereits ein ziemlich deutlicher Hinweis auf eine corporationsstudentische Beteiligung am Briefbombenterror oder zumindest darauf, daß es den Tätern nützt, eine solche vorzutäuschen.

[295] Im übrigen wird im selben Brief kurz darauf das Wort „Adventbeginn” verwendet (vgl. BBA 1, S. 1 l.Sp.); folgt man den gängigen „logischen” Argumentationen, so sind durch die Verwendung dieses christlich geprägten Wortes alle Christen verdächtig; weiters wird der juristisch geprägte Begriff „corpus delicti” verwendet (vgl. ebenda, S. 2 l.Sp.), was wohl alle Juristen in Verdacht bringt, schließlich das Wort „veräppelt” (vgl. ebenda, S. 2 r.Sp.), das nur in Teilen Deutschlands, nicht aber in Österreich üblich ist, womit sich der Kreis potentieller Briefautoren um etwa fünfzig Millionen erhöht, etc. etc.

[296] Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch, daß das Schreiben an Mag. Sika im Gegensatz zu den übrigen, deren „schriftliche Ausführung und stilistische Bearbeitung” vom „Sekretariat” der BBA stammt, (vgl. etwa BBA 2, S. 151, und insb. BBA 3, S. 179), eine Reihe von Orthographie– und Interpunktionsfehlern aufweist und stilistisch keineswegs als gelungen bezeichnet werden kann. Wenn überhaupt, so scheint dies der einzige Bekennerbrief zu sein, der aufgrund von nachweisbaren sprachlichen Übereinstimmungen i.S.d. einschlägigen Analysen (vgl. news 24/1997) nach Ergreifung des Verfassers vor Gericht als Beweismittel dienen kann. Aus dieser Überlegung ergibt sich ein (für konspirative Vereinigungen idealer) Täterkreis von minimal zwei bis maximal drei Personen, bestehend aus Bombenhersteller, Briefverfasser und Briefbearbeiter, wobei erstgenannter und der Verfasser der Bekennerschreiben auch ein und dieselbe Person sein können. — Im recht unwahrscheinlichen Fall einer corporationsstudentischen Beteiligung am Briefbombenterror ist davon auszugehen, daß es sich um einen Dimittierten handelt: Ein prinzipientreuer, ordnungsliebender — vgl. Grassl–Kosa/Steiner Der Briefbomber, S. 140 —, schlagender Student bzw. Alter Herr würde nicht zulassen, daß seine Corporation unter dem von ihm ausgehenden Terror leiden bzw. sich auflösen muß!






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