Die formalen Merkmale der Privatbriefe Ferdinands III. an Leopold Wilhelm


Die Schwierigkeit bei der Bearbeitung der Briefe bestand u.a. auch im Lesen derselben. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, dürfte die Handschrift Ferdinands mit ein Grund für die geringe Beschäftigung mit seiner Person sowie für die Aufarbeitung seines Schrifttums sein.

Zum einen gibt es, bedingt durch die oft recht eigentümliche Orthographie[91], Buchstabenfolgen, manchmal über 1/2 Zeile und mehr gehend, die keinen Sinn ergeben und auch aus dem Inhalt nur teilweise erfaßbar sind. Zum anderen hat Ferdinand mehrere im System wohl verwandte, in der Zeichen- und Ziffernsetzung unterschiedliche, größtenteils selber erfundene Geheimschriften verwendet. So gebraucht Ferdinand in Schreiben an den spanischen König Philipp IV.[92], eine andere Geheimschrift als an den Grafen von Trauttmansdorf[93], und in Schreiben an Leopold Wilhelm finden sich sogar zwei unterschiedliche "Ziffern": Die eine Geheimschrift, aus Zahlengruppen[94] bestehend — nur in einem Brief des bearbeiteten Konvoluts verwendet[95] — konnte auf Grund einer zeitgenössischen Transkription erfaßt werden.[96]

Die andere besteht aus ähnlichen Zahlengruppen, sowie aus vielfältigen Zeichen und ist in den Text eingebunden[97]. Eine Dechiffrierung der letztgenannten Geheimschrift ist nicht gelungen[98].

Bis auf die eigens bezeichneten, sind alle Schreiben Ferdinands III. eigenhändig verfaßt worden.

Das Konvolut umfaßt:

a) eigenhändige private Schreiben[99] Ferdinands an Leopold Wilhelm,

b) private Schreiben[100] Ferdinands an Leopold Wilhelm, von einem Schreiber, vermutlich nach Diktat Ferdinands geschrieben,

c) Schreiben mit offiziellerem Charakter[101], in der Kanzlei verfaßt[102], aber von Ferdinand eigenhändig signiert.

Die Schreiben können nun, ohne auf die unterschiedlichen Hände der Schreiber zu achten, durch gewisse innere und äußere Merkmale unterschieden werden:

Anrede:

a) eigenhändige Schreiben: Durchleuchtigister first, frl. [103] geliebster herr brueder, hiemit beantworte Ich E.L. [104] schreiben vom ... dits/passato, ... oder auch Durchleuchtigister first, frl. geliebster herr brueder, E.L. schreiben aus ... vom ... dits/passato habe Ich zu recht empfangen, ...

b) private Schreiben: Hochwürdiger durchleuchtiger freundlicher geliebter bruder und fürst, ... oder auch Hochwürdiger durchleuchtiger hochgeborner freundtlicher geliebter bruder und fürst, als mir kurz verwichener tagen dises schreiben ...

Schlußformel:

a) eigenhändige Schreiben: und hiemit verbleib Ich E.L.

b) private Schreiben: und verbleibe deroselben benebens mit freundt-bruederlichen affection, auch allem gueten vorderist wolbeygethan ... oder und verbleibe beinebens E.Ld. mit beharlichen khai. [105] hulden und frl. brüderlich geneigter affection wolhbeigethan ... oder und verbleibe ihro benebens mit bruederlichen hulden und kayserlichen gnaden ieder zeit beständig und wolbeygethan ...

Datierung:

a) eigenhändige Schreiben: Wien, den 5 martii 1640

b) private und offizielle Schreiben: Geben in meiner statt Wienn den ... Ao ...

Unter alle, eigenhändige, private und offzielle Schreiben setzt Ferdinand eigenhändig seinen persönlichen Gruß an den Bruder und seine Signatur: Getreuer und guetwilliger brueder. Ferdinand. oder Getreuer und guetwilliger brueder allzeit. Ferdinand.

Jedes eigenhändige Schreiben beginnt in der oberen Mitte mit einem Chrismon in Kreuzform. In der rechten oberen Ecke wurde von der Kanzlei noch einmal das Datum angebracht. Auch die Faltung zum Brief ist bei den Schreiben noch erkennbar.

Auf der letzten Versoseite der meisten Briefe befindet sich die Adresse:

a) Da selten ein einzelner Brief transportiert wurde, sondern meist ein ganzes Karnet, findet sich nur auf manchen eigenhändigen und privaten Schreiben ein kurzer, eigenhändiger Vermerk mit der Namensnennung Leopold Wilhelms: Ihro L. [106] Erzherzogen Leopold Wilhelm etc., meinem frl. geliebsten herrn brueder.

b) offizielle Schreiben: Dem hochwirdig durchleuchtig und hochgebornen Leopold Wilhelmen, Erzherzogen zu Österreich, Herzogen zu Burgund, Steyr, Kärndten, Crain und Wirttemberg, Bischoven zu Straßburg, Halberstadt, Paßau und Olmiz, Graven zu Tyrol und Görz, unserem frl. geliebten Brueder, Fürsten, Generaln über unsere Kayl: Armaden und Gubernatorn unsers Königreichs Böhaimb.

Viele der Schreiben sind auf der letzten Versoseite mit einem Verschlußsiegel versehen, bei denen man das Siegelbild[107] noch erkennen kann.

Auch haben alle Schreiben auf der letzten Versoseite noch einen Betreff der Kanzlei: Kayl. handtbriefel ... betrf. [108] oder Handtbriefel von Kayser Ferd. III. de dato ..., ... betrf.



[91] Sie wurde bei Zitaten so weit wie möglich belassen; Modernisierung erfuhren nur u statt v in der vokalisierten Verwendung, Vereinheitlichung auf Kleinschreibung — Ausnahmen: Personennamen, Titel, der Name Gottes und die Eigenbezeichnung "Ich".}

[92] Philipp IV., König von Spanien und von Portugal, Sohn König Philipps III. und der Erzherzogin Margarete von Österreich, Tochter Erzherzog Karls II. von Innerösterreich; geb. 08.04.1605 in Valladolid, gest. 17.09.1665 in Madrid.

[93] Maximilian Graf von Trauttmannsdorff, geb. 22.05.1584 in Graz, gest. 08.06.1650 in Wien, seit 1618 Mitglied des Geheimen Rates, ab 1633 Obersthofmeister Ferdinands III., einflußreichster Berater dieses Kaisers und wesentlich an den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden beteiligt.

[94] Buchstaben- und Silbenersatzverfahren

[95] Brief 39, fol. 101–108

[96] Vermutlich eines Dechiffreurs der Kanzlei.

[97] Der Umfang dieser Geheimschrift variiert (ca. 1/2 bis 8 Zeilen).

[98] Brief 13, fol. 39–40: Ich lasse den Martiniz ein ganzes birchlin schreiben ... wirdt gewis curios sein, aber der schwerste modus ist der in disem brif stekht, ist mein inventione. Ich soll [...] wer nicht loben, aber es gefellt mir gar wol und meine nicht, das miglich seie zulesen; der martiniz hatt es auch nicht lesen khinden. Wenn mir E.L. guete wort geben, so thue Ichs sie wol lerhen, aber sie missen eher ein wenig laborirn, basta, diser ganze brief ist ein ziffer. — Georg Adam von Martiniz, geb. am 29.03.1602, gest. am 06.11.1651 in Wien; seit 1625 im Gefolge Ferdinands III., ab 1628 Präsident der böhmischen Kammer und ab 1637 Geheimer Rat.

[99] Im Text: eigenhändige Schreiben

[100] Im Text: private Schreiben

[101] Ferdinand der Dritte, von Gottes Gnaden ..., vgl. Brief 22.

[102] Im Text: offizielle Schreiben

[103] freundlichst

[104] Euer Liebden

[105] kaiserlichen

[106] Liebden

[107] Wappen des Erzherzogtums Österreich.

[108] betreffend


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